Auch wenn der Vesuv, im Gegensatz zu seinen Kollegen auf Ischia, Sizilien und den Liparischen Inseln, nicht dauernd raucht und spuckt, ist er ein aktiver Vulkan. Er sitzt am Golf von Neapel, etwa zehn Kilometer von der Hauptstadt Kampaniens entfernt. Der Vesuv ist aktuell 1.281 Meter hoch und besteht aus den Resten des alten Monte Somma, dessen Spitze im Jahr 79 in die Luft flog. Pompeji ging damals in dieser sogenannten „plinianischen Eruption“ unter, der Begriff bezieht sich auf Plinius den Jüngeren, denn der spätere römische Senator hat genau aufgeschrieben, wie vor fast 2.000 Jahren eine kilometerhohe Eruptionssäule in die Luft schoss. Er war Augenzeuge als Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis untergingen. Der Vulkan sitzt auf der Caldera des alten Monte Somma. Bildlich gesprochen: Ein Stanitzel sitzt auf den Resten eines anderen Stanitzel. Denn beide sind klassische Schichtvulkane, der explodierte Monte Somma und der jüngere Vesuv.
Der Vesuv spuckt nicht alleine
Italien ist eine vulkanisch aktive Region in Europa, in der Vergangenheit ging es hier „heiß her“, denn mindestens 30 Vulkane sind in den letzten fünf Millionen Jahren immer wieder ausgebrochen, etwa die Hälfte davon in den letzten 10.000 Jahren. Neun Vulkane sind aktuell aktiv, darunter der Vesuv, der Stromboli, auf Sizilien der Ätna, Ischia und nicht zuletzt die Phlegräischen Felder. Schuld ist die Plattentektonik. Wenn die Kontinentalplatten von Afrika und Eurasien aneinander schubbern, dann spucken die Vulkane. Es sind nur ein paar Zentimeter pro Jahr aber eingekeilt zwischen diesen Platten wird Italien gefaltet und gedreht. Die gesamte Halbinsel dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Das erklärt warum immer wieder die Erde bebt oder Vulkane aktiv werden.
Diese Drehung der italienischen Halbinsel führt im Westen zu einer Spannung und Verdünnung der Erdkruste. Vor etwa sieben Millionen Jahren ist so das Tyrrhenische Becken entstanden und die Küstenlinie senkte sich ab. Damit wurde die fruchtbare Ebene Kampaniens geboren. Durch die dabei entstandenen Risse und Brüche konnte das Magma aus dem oberen Erdmantel und der tieferen Erdkruste aufsteigen. So entstanden die Vulkane der Region.
Der Vesuv war immer wieder aktiv, schon vor Pompeji
Aus geologischer Perspektive ist der Vulkanismus in Kampanien mit weniger als 500.000 Jahren Vergangenheit relativ jung. Der Vesuv spuckt aber erst seit 39.000 Jahren vor sich hin, historisch fassbar sind allerdings nur die große Eruption von Avellino vor fast 4.000 Jahren und der Ausbruch von Pompeji vor etwa 2.000 Jahren. Der Vulkan, der damals noch Monte Somma hieß, hatte vor 39.000 Jahren eine eher unspektakuläre Premiere: Es waren effusive Eruptionen, die den Kegel aufschichteten. Vor 22.000 Jahren war er dann erwachsen und explodierte zum ersten Mal in Form einer plinianischen Eruption, was ihn den Gipfel kostete. Ab da verliefen seine großen Ausbrüche immer gleich: Die Explosionen der Anfangsphase öffneten den Vulkanschlot und hinterließen eine dünne Niederschlagsschicht aus Feinasche und Bimsstein. In der zweiten Phase bildete sich eine kilometerhohe Eruptionssäule und dann folgten die pyroklastische Fall-und Fließablagerungen.
Die Fußspuren von Avellino
Wer vor nicht ganz 4.000 Jahren nach Osten, in Richtung Avellino, flüchtete war so gut wie tot. Die Avellino Eruption ist zwischen 1935 und 1995 v.Chr. passiert, ungefähr – denn genauer kennt man das Datum nicht. In der Frühbronzezeit regnete es jedenfalls Asche und Bimsstein vom Himmel. Viele Dörfer der frühbronzezeitlichen Palma Campania-Kultur, wie bei Croce del Papa in der heutigen Gemeinde von Nola, wurden dabei zerstört. Fußabdrücke in der frischen Asche, die sich über die Zeit verfestigt haben belegen, dass die Menschen damals um ihr Leben rannten, viele von ihnen vergeblich. Die Fallsedimente bedecken eine weites Gebiet in nordöstlicher Richtung und ihre Ablagerungen sind bis zu 30 Meter dick. Trotzdem besiedelten die Menschen, nur wenige Jahrzehnte später, wieder die Abhänge des Vulkans.
Wann geht es wieder „Bumms“?
Seit rund fünfzehn Jahren diskutieren Wissenschaftler wann wieder ein größerer Vulkanausbruch bevorsteht. Sie sind sich in einem Punkt einig: Eine Eruption ist überfällig. 2008 warnten Geologen aus Frankreich und Italien im Fachblatt „Nature“, dass sich in der Magmakammer viel Druck aufgebaut hätte. Sie forderten eine Untersuchung des Magma, das sich in etwa neun Kilometer Tiefe unter der Caldera befindet. Denn auf die Zusammensetzung des Magmas kommt es an, wenn die „richtigen“ Gase zusammen kommen, dann kann es explosiv werden.
Wenn es dem ähnelt, das die Eruption von Pompeji erzeugt hat, kann man in Zukunft von einer äußerst explosiven und folglich gefährlichen Eruption ausgehen. Wenn das Magma dagegen in seiner Zusammensetzung eher basaltartig sei, würde ein Ausbruch deutlich weniger schwere Schäden hervorrufen. Dann werde es wie bei der letzten Eruption im Jahr 1944 eher bei langsamen Lavaströmen bleiben
Bruno Scaillet, Forscher am Institut für Geowissenschaften, Orléans.
Einen Notfallplan für den Tag X gibt es, der ist aber eher theoretisch, denn in der Praxis wäre es unmöglich die vielen Menschen, die rund um den Vulkan siedeln, zu evakuieren. Alleine in der „Roten Zone“, das ist das 200 Quadratkilometer große Gebiet der höchsten Gefährdungsstufe, leben 600.000 Einwohner. Und – die Menschen in Kampanien würden eine Warnung vermutlich nicht ernst nehmen. Das weiß man auch in Rom. Dazu kommt, der Vesuv ist nicht das einzige Sorgenkind der Region.
Die Phlegräischen Felder sind die vielleicht größere Bedrohung für Kampanien. Ihr Ausbruch im Jungpleistozän, vor etwa 39.000 Jahren, verwüstete nicht nur die gesamte Region sondern veränderte das Klima und die Umwelt ganz Europas. Ein weiterer Ausbruch vor ungefähr 15.000 Jahren ist für den gelben Tuffstein rund um Neapel verantwortlich und der letzte Ausbruch 1538 ließ quasi über Nacht einen Berg wachsen. Damals entstand der Vulkan Monte Nuovo, was wenige Kilometer östlich bei Pozzuoli zu einer Bodenhebung von 6 m in nur zwei Tagen führte. Dass die Erde im Bereich der Phlegräischen Felder „atmet“, man nennt das „Bradisismus“, daran haben sich die Menschen gewöhnt.
Erstickt, gekocht oder gebacken – was ist mit den Menschen vor 2000 Jahren passiert?
Beim Frühstück wackelte die Erde, beim Mittagessen war ein tiefes Grollen zu hören, denn das Magma hatte den Boden durchbrochen und kurze Zeit später schoss eine Aschesäule Richtung Stratosphäre. Am frühen Nachmittag drehte der Wind und besiegelte damit das Schicksal der Menschen in Pompeji. Gleichzeitig verdunkelte der Ascheregen die Sonne, was eine Flucht vermutlich erschwerte. In der WELT gibt es den Artikel „So starb ein Bürger Pompejis im Feuersturm„, der anschaulich wiedergibt, wie sich die letzten Stunden in der antiken Stadt wohl angefühlt haben müssen.
Die ersten raffte die Druckwelle hinweg, die dem Strom voranlief, den nächsten raubten Staub und Gas den Atem, die letzten verbrannten bei mehr als 500 Grad Celsius. Gegen zehn Uhr war Pompeji unter fünf Meter hohem vulkanischem Gestein verschwunden.
Artikel aus die WELT „Die Menschen starben auf dreifache Weise“ 2020 (LINK)
In Herculaneum haben neuere Untersuchungen ergeben, dass Menschen die in einem Bootshaus Zuflucht gesucht hatten quasi „gebacken“ wurden. Das bedeutet einen qualvollen Tod. Wissenschaftler sind der Sache auf den Grund gegangen. In der Zeitschrift National Geographic erzählt ein Artikel über zwei Studien: Eine von ihnen befasste sich mit jenen Menschen, die Zuflucht in den Bootshäusern der Stadt suchten: Sie sind nicht verbrannt oder verdampft, sondern wurden wie in einem großen Steinofen gebacken. Die zweite Studie untersuchte ein Opfer in einem anderen Teil Herculaneums, dessen Gehirn scheinbar schmolz und dann zu Glas erstarrte.
Der Vulkan ist so fruchtbar, dass die Menschen die Gefahr vergessen
Ein Foto aus luftiger Höhe zeigt, wie dicht besiedelt das Land rund um den Vesuv ist. Das Foto der NASA war am 25.März 2006 das Bild des Tages. Der letzte Vulkanausbruch liegt einige Zeit zurück, im März 1944 war der Vesuv zuletzt aktiv. Damals spuckte er Lava und pyroklastische Niederschläge vernichteten Massa di Somma und San Sebastiano. Die USAAF verlor achzig B-25-Bomber am Flugfeld von Terzigno durch Tephra Niederschläge. Seither ist der Vesuv „ruhig“, abgesehen von den kleinen Rauchwolken die aus den Rissen im Krater dringen. Die Menschen siedeln fast bis zum Kraterrand – verbotenerweise, in den letzten 20 Jahren sind allein in der Roten Zone 50.000 Häuser illegal gebaut worden. Teilweise werden sie wieder abgerissen, manchmal bleiben ihre Ruinen aber auch stehen. Für die Bauern ist der fruchtbare Boden verlockend, für andere der phantastische Ausblick und manche wohnen hier, weil ihre Familie „schon immer“ da gewohnt hat.
Ein Aufstieg auf den Vesuv ist „wechselhaft“
Wenn man auf den Vesuv geht, dann muss man für alles gerüstet sein, das Wetter am Vulkan ist wechselhaft, denn er ist hoch genug, dass die Wolken gerne an ihm hängen bleiben. Gutes Schuhwerk ist eine Voraussetzung für den „Gipfelsieg“, da der vulkanische Untergrund recht bröselig ist und daher rutschig. Extrem viel muss man nicht gehen, die Busse dürfen (noch) weit hinauf fahren. Zudem ist eine Seilbahn geplant, zum Leidwesen der Naturschützer, die die Menschen bis fast an den Kraterrand befördern soll. Das Projekt ist noch nicht realisiert, denn die Zuständigkeiten sind umstritten. Der Staat Italien, die Region Kampanien und die Anrainergemeinden sind sich nicht einig wer bezahlen muss und wer kassieren darf. Selbst das Besucherzentrum ist noch nicht fertig, daher gibt es am Fuß des Kraters nur ein illegales Cafè und ein paar Mobiklos und eine Cafeteria weiter oben, am Kraterrand.
Ein Besuch lohnt auf alle Fälle
Abgesehen von der spektakulären Aussicht ist die Geologie und die Flora am Vesuv einen Besuch wert. Goethe hat am 6. März 1787 den Vulkan besucht, zum Leidwesen des Malers Tischbein, denn der musste mit. Sein Besuch dürfte recht abenteuerlich gewesen sein. Immerhin schreibt Goethe in sein Tagebuch: „Erst ein gewaltsamer Donner, der aus dem tiefsten Schlunde hervortönte, sodann Steine, größere und kleinere, zu Tausenden in die Luft geschleudert, von Aschenwolken eingehüllt. Der größte Teil fiel in den Schlund zurück. Die andern, nach der Seite zu getriebenen Brocken, auf die Außenseite des Kegels niederfallend, machten ein wunderbares Geräusch: erst plumpten die schwereren und hupften mit dumpfem Getön an die Kegelseite hinab, die geringeren klapperten hinterdrein, und zuletzt rieselte die Asche nieder. Dieses alles geschah in regelmäßigen Pausen, die wir durch ein ruhiges Zählen sehr wohl abmessen konnten.“
Obgleich ungern, doch aus treuer Geselligkeit, begleitete Tischbein mich heute auf den Vesuv. Wir fuhren auf zwei Kalessen, weil wir uns als Selbstführer durch das Gewühl der Stadt nicht durchzuwinden getrauten. Am Fuße des steilen Hanges empfingen uns zwei Führer, ein älterer und ein jüngerer, beides tüchtige Leute. Der erste schleppte mich, der zweite Tischbein den Berg hinauf.
Goethe, „Italienische Reise“ 1787
Der moderne Besucher würde das so nicht erleben können, denn der Vesuv ist seit 1995 ein Nationalpark und bei der geringsten Gefahr wird gesperrt. Nicht nur bei „hüpfenden Steinen“, auch wenn es stark regnet ist ein Besuch untersagt. Man geht auf Nummer Sicher, denn die kurvige Straße, die zum Parkplatz am Berg führt ist abenteuerlich und wenn es zu nass ist, dann wird auch der Aufweg zu einer Herausforderung. Außerdem will man nicht, dass Touristen in den Krater fallen, da darf man nur mit einer geführten Tour hinein. Die italienischen Vulkanführer wissen wo es sicher ist und wo nicht.
Der Aufstieg auf den Vesuv war einmal ein Abenteuer
Zu Goethes Zeiten gab es bereits eine fixe Route auf den Vesuv. In Neapel mietete man sich eine Kutsche und fuhr damit an den Fuß des Vulkans. Ab 1839 war die Circumvesuviana fertig und man konnte mit ihr nach Erolaneo fahren. Dort bekam man einen Esel oder ein Maultier und ritt auf dessen Rücken den Berg hinauf. Ein erster Souvenirladen mit Gasthaus existierte in der Eremitage am Colle San Salvatore und der war damals in ganz Europa bekannt. Ab 1880 wurde es noch einfacher, denn die Funicolare Vesuviana war fertig gestellt und man konnte damit bis fast zum Gipfel hochfahren. Ihr wurde ein Lied gewidmet, das ist noch immer ein bekannter italienischer „Gassenhauer“.
Das Lied gibt es noch immer, die Standseilbahn nicht. Die Ausbrüche 1906 und 1944 haben das Projekt beendet. Dabei hatte Thomas Cook die Funicolare noch 1888 übernommen und ausgebaut. Sogar ein Hotel und die Bahnzubringerlinie von Pugliano bis zur Talstation hatte Cook damals finanziert. Es war aus damaliger Perspektive ein gutes Investment, denn der Vesuv zog im 19.Jahrhunder die Massen an. Von der Seilbahn und einem späteren Sessellift ist kaum noch etwas zu sehen, heutzutage erreicht man den Krater per Bus oder Auto. Auf 1017 Meter parkt man, den Rest muss man zu Fuß gehen.
Der Vesuv als Baustofflieferant
Mit dem Basalt vom Vesuv wurden Straßen und Städte im römischen Reich gepflastert. Aus der Asche machte man Beton. Vitruv hat genau beschrieben wie das geht: Man mischt Kalk und Vulkanasche, versetzt diesen Mörtel mit Tuff und füllt ihn in eine Holzverschalung. Das Meerwasser löst dann eine chemische Reaktion aus, der Kalk bindet Wasserstoffmoleküle und wird zusammen mit der Asche zu einem Jahrtausende überdauernden Zement. Dieses Gemisch nannte man Pozzolan. Ein weiterer Baustoff ist der Tuff. Tuffstein besteht aus Asche und Pyroklasten die im Laufe der Zeit verfestigt wurden. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurde Tuffstein als Baumaterial oder zur Fassadenverkleidung verwendet. In Rom hat man den Peperin aus den Albaner Bergen verbaut, das ist ein grünlichgraues basaltisches Tuffgestein mit Fragmenten von Dolerit, Leucit, Augit und Glimmer. In Neapel ist dagegen der Gelbe Tuff das Baumaterial der Wahl. Er besteht aus Bimsen und Gesteinsbruchstücken.
Die Geologie und die Flora des Vesuv
Die Basis des Vesuv liegt etwa tausend Meter unter dem Meeresspiegel. Der Vulkan sitzt dort auf einer mehrere Kilometer mächtigen Sedimentschichten des Mesozoikums und des Tertiär. Das Dach der Magmakammer vermutet man in etwa 5.500 Metern Tiefe in der Schicht der Trias Dolomite. Hier sammeln sich Gesteinsschmelze und vulkanische Gase aus dem oberen Erdmantel. Was bei einem Vulkanausbruch an die Erdoberfläche gelangt, ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Magmas, denn dieses besteht aus geschmolzenen Gesteinen, Gas und Wasser. Im Fall vom Vesuv finden sich in den vulkanischen Förderprodukten Tertiäre Sandsteine, Mergel und Ton, Kalkstein-Xenolithe der Kreide und des Jura, sowie Dolomite aus dem Trias.
Flechten findet man viele am Vesuv, sie sind eine Symbiose aus Pilz und Alge und leben seit etwa 200 Millionen Jahren auf der Erde. Flechten sind Pionierpflanzen, am Vesuv ist es die grausilbrige „Stereocaulon vesuvianum“ (Vesuv-Korallenflechte) die den Lavaboden aufbereitet für die Macchia. Zu dieser gehören Myrthe, Mastix, Rosmarin, Strohblume, Wacholder, Cistus, Wolfmilch und Ginster. Letzterer blüht am Vesuv sehr üppig. Im Bereich des Monte Somma ist es feuchter, dort trifft man daher die Mischwälder an. Sie bestehen aus Kastanien, Eichen, Erlen, Ahorn, Steineichen und Birken.
Der Vesuv ist bestens überwacht
Das Observatorium des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Neapel überwacht die drei Problemkinder des Golfs von Neapel: Den Vesuv, Ischia und die Phlegräischen Felder. Das tut man 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Auf 48 Bildschirmen behalten Wissenschaftler die verschiedenen Graphen im Blick. Man ist global vernetzt, denn ein Ausbruch beträfe nicht nur Italien. Vor dem Vesuv hat man Respekt aber vor den „Brennenden Feldern“ hat man Angst. 2013 bohrte man in den Phlegräischen Feldern 500 Meter tief, weitere Bohrungen sind geplant. Der Vesuv ist ein italienisches Problem, die Campi Flegrei dagegen können ganz Europa drastisch verändern. Ein Ausbruch wie vor 39.000 Jahren hätte unvorstellbare Folgen: Neapel wäre verwüstet, Tsunamis würden übers Mittelmeer rasen, Europa würde von Asche überzogen; ein grauer Schleier am Himmel würde die Sonne verdunkeln und das Weltklima auf Jahre hinaus kühlen. Erdbeben, Gasausstoß und Bodenhebung wird daher vom INGV akribisch überwacht.
Glaube und irrationale Hoffnung lindert die Sorgen
Wenn man es mit so gewaltigen Zerstörungskräften wie denen des Vulkanismus in Kampanien zu tun hat, dann braucht man gute Schutzpatrone. Die Griechen und Römer setzten auf ihre Götter, die Menschen des Mittelalters dagegen hofften, dass der „Zauberer Vergil“ den Vesuv zähmen könnte. Der römische Dichter und Epiker, der während der Zeit der Römischen Bürgerkriege unter Octavian lebte, wurde von ihnen als mächtiger Magier verstanden. Seit der Eruption vom 16. Dezember 1631 übernahm der Heilige Gennaro die Rolle des Schutzpatrons. An einer Prozession am 17. Dezember 1631, bei der die Reliquien des Heiligen dem Vesuv als Waffe entgegengehalten wurden, sollen 100.000 Menschen teilgenommen haben. Erst mit dem schottischen Vulkanologen William Hamilton setzte sich im 18.Jahrhundert eine eher naturwissenschaftliche Sichtweise durch und im 19.Jahrhundert wurde mit den Forschungen Alexander von Humboldts der Vesuv ein Vulkan unter vielen. Das Bild der Madonna findet man am Krater trotzdem.
Ein Blick in den Krater ist ein Erlebnis
Steht man am Kraterrand und blickt in die Tiefe, dann ist das schon ein besonderes Gefühl. Man hat im Kopf, in der Tiefe ist flüssiges Gestein und man weiß, dass diese dunklen Kraterwände entstanden, als Magma in Form von Lava in die Luft geschleudert wurde. Wenn man genau schaut, kann man die Ritzen erkennen aus denen der Vulkan weißen Rauch atmet. Je nach Wetterlage wirkt der Krater freundlich oder mystisch. Wenn die Sonne scheint ist es die Dimension die fasziniert, ist es dagegen neblig und daher düster, dominiert die Mystik. Es fällt dann leicht sich vorzustellen, dass die Giganten hier gewohnt haben und Hephaistos auf seinen Amboss hämmerte. So wie der Avernersee für Aeneas der Einstieg ins Totenreich gewesen sein soll, war Für die Menschen des Mittelalter hier im Krater das Tor zur Hölle. Im Mittelalter glaubte man, dass Dämonen im Vesuv das Feuer für die Verdammten Seelen anfachen.
Lava ist nicht gleich Lava
Sobald Magma an die Erdoberfläche gelangt, wird es zu Lava. Gase, die im Magma eingeschlossen waren, entweichen und daher unterscheiden sich Lava und Magma in ihrer chemischen Zusammensetzung. Bei einer Eruption kann flüssige Lava in Form eines Lavastromes austreten oder in Form von zähflüssigen Brocken, den vulkanischen Bomben, durch die Luft fliegen. Je nachdem woraus sie besteht und wo und wie sie erkaltet formt sich Lava zu Kissenlava, Stricklava, glatter Pahoehoe Lava oder rauer Aa-Lava und wenn sie bei einem Vulkanausbruch in die Luft geschleudert wird und sich dabei aufbläht wie Schaumstoff, entsteht Bimsstein.
Dünnflüssige Lava bildet eine glatte Oberfläche und Dickflüssige Lava bildet große Schollen, die sich auftürmen und kantig sind. Erstere kann leichter und über größere Distanz fließen, die Oberfläche erkaltet zuerst und darunter fließt die Lava weiter. Dadurch wird die Oberfläche zusammengeschoben, das nennt man Stricklava. Dickflüssige Lava ist gasarm und zerbricht beim Erkalten in scharfkantige Schollen, das ist die Aa-Lava. Tritt die Lava im Meer aus, bildet sich Kissen-Lava. Findet man diese Form auf dem Festland kann man davon ausgehen, dass das Gestein irgendwann vorher unter Wasser erkaltet ist.
Der Vesuv und die Phlegräischen Felder teilen sich eine Magmakammer
Der Vesuv und die Phlegräischen Felder liegen rund 25 Kilometer auseinander, trotzdem speisen sich beide Feuerberge aus einer gemeinsamen Magmakammer, das hat man 2008 entdeckt. Nach Angaben von Vulkanologen des Osservatorio Vesuviano in Neapel liegt diese Kammer acht Kilometer tief in der Erde und erstreckt sich über 400 Quadratkilometer. Der Vesuv schläft mittlerweile fast siebzig Jahre, die Phlegräischen Felder dagegen zeigen seit zehn Jahren eine gesteigerte Aktivität. Sorglos begegnen die Menschen beiden Vulkanen. Ganz wenige Neapolitaner haben selbst noch erlebt, was eine Eruption bedeuten kann; das Risiko ist für sie abstrakt. Es ist ähnlich wie die Situation vor dem Tsunami 2011: In Japan siedelten die Küstenbewohner neben Wegsteinen aus dem Mittelalter, deren Inschriften vor Riesenwellen warnten. Die persönliche Erfahrung damit fehlte ihnen allerdings.
An klaren Tagen ist der Blick atemberaubend schön
Steht man an einem klaren Tag am Gipfel des Vesuv und blickt in die Ebene Kampaniens, dann versteht man warum der Vulkan eine so große Faszination ausübt. Das tiefblaue Meer ist an solchen Tagen ganz ruhig in der Bucht von Neapel die sich in einem harmonischen Bogen von der Sorrentiner Landspitze bis zum Kap Miseno schwingt. Man sieht Ischia und wenn es ganz klar ist, dann erblickt man auch Capri. An diesen Tagen versteht man, was die Römer in diese Gegend gezogen hat und warum sie, trotz Leid und Zerstörung, geblieben sind. Wenn man ganz großes Glück hat, dann zieht eine Wolke durch und bleibt am Vesuv so hängen, dass man statt dem Tyrrhenischen Meer eines aus Wolken sieht.
Pingback: KAMPANIEN in Bildern – Rosa Reisen