Man muss sehr mutig und etwas verrückt sein um hier zu wohnen oder man ist hier geboren. Die Rede ist von den zehn Halligen, diese liegen vor der Küste Schleswig-Holsteins im Wattenmeer. Einige sind unbewohnt und stehen unter Naturschutz, andere sind beliebte Ausflugsziele, wie Hallig Hooge. Die „Sandhaufen im Wattenmeer“ heißen Langeneß, Hooge, Nordstrandischmoor, Oland, Gröde, Habel, Norderoog, Süderoog, Südfall und Hamburger Hallig. Sie sind alle klein, denn die Halligen sind maximal 9,6 Quadratkilometer groß. Das Besondere: Im Gegensatz zu Sylt oder Pellworm haben sie keine befestigten Küsten. Mit Ausnahme eines Sommerdeichs auf Hooge sind die Halligen nicht eingedeicht, sie werden daher regelmäßig überflutet. Wie das ist, das kann man sich im Sturmflutkino auf Hooge ansehen. Die Halligen sind einzigartig auf der Welt. Sie dienen als Wellenbrecher für das dahinter gelegene Festland, eine wichtige Funktion im Küstenschutz.
Warften statt Deiche
Die Menschen von Hallig Hooge leben auf einem von der Natur geschaffenen Wellenbrecher, der mehrmals pro Jahr überflutet wird. Damit Menschen und Tiere die Sturmfluten unbeschadet überstehen, stehen die Häuser auf sogenannten Warften, künstlich aufgeschütteten Erdhügeln. Steigt der Wasserstand der Nordsee stark an, was bis zu 30 Mal im Jahr und vor allem im Herbst und Winter vorkommen kann, heißt es auf den Halligen „Land unter“. In Extremfällen ragen dann nur noch die Häuser auf den Warften aus dem Wasser. Die Bewohner können ihre Häuser dann manchmal tagelang nicht verlassen. Deshalb müssen sie immer genug Vorräte im Haus haben. Die Überschwemmungen sind aber auch nützlich: Denn wenn das Wasser wieder zurück geht, bleiben Ablagerungen zurück. Die sorgen dafür, dass die Hallig nicht schrumpft.
Dicht besiedelt sind die Halligen nicht
Mit jeweils etwa 100 Einwohnern sind Hooge und Langeneß die Halligen mit den meisten Menschen. Bei Hooge mag das dran liegen ,dass die Insel, unabhängig von Ebbe und Flut, gut mit der Fähre zu erreichen ist. Die meisten Halligen werden von Schiffen angesteuert – allerdings in der Regel nur während der Saison von April bis Oktober. Der Weg ist hier das Ziel, denn schon die Überfahrt ist ein Erlebnis. Manche Halligen können bei Ebbe zu Fuß durch das Watt erreicht werden. Das funktioniert beispielsweise bei Nordstrandischmoor. Ausgangspunkt ist der Ort Lüttmoorsiel im Beltringharder Koog nördlich von Husum. Aber es ist nicht ganz ungefährlich, denn das Wasser kommt bei einsetzender Flut sehr schnell und – vor allem für Festländer -unberechenbar zurück. Die Hamburger Hallig wiederum ist mit dem Festland durch einen 4 Kilometer langen Damm verbunden. Sie ist Naturschutzgebiet und ein ideales Ziel um Vögel zu beobachten.
Die Inseln sind Autofrei
Auf Hallig Hooge kann man Urlaub machen. Sie ist die zweitgrößte und bekannteste Hallig. Knapp zwölf Kilometer lang ist der Weg, der auf dem Deich einmal um das Eiland herumführt. Im Sommer kommen rund 800 Tagesbesucher mit der Fähre auf die Insel. Die Überfahrt ab Schlüttsiel dauert gut eine Stunde. Wer möchte, kann auch länger bleiben und seinen Urlaub mitten im Wattenmeer verbringen. Es gibt verschiedene Unterkünfte mit insgesamt mehr als 500 Betten – vom Privatzimmer bis zum kleinen Hotel. Die Fortbewegung auf Hallig Hooge ist auf maximal 2 PS begrenzt, gemeint sind damit die Pferdetaxis, denn Autos gibt es hier nicht (Traktoren ausgenommen). Das reicht aber auch, denn mit 5,74 Quadratkilometern ist die Insel klein genug um sie per Fahrrad oder per Pedes zu erkunden. Der Tourismus ist übrigens eine wichtige Einnahmequelle für die Inselbewohner.
Sehenswertes gibt es auf Hallig Hooge und Essen kann man hier auch gut
Die Hanswarft, mit Panoramablick auf das Watt, hat ein Café. Hier befindet sich auch die Schutzstation Wattenmeer. Besucher können sich dort in einer Wattwerkstatt, einem Gezeitenbecken und der Ausstellung „Mensch und Watt“ mit dem Leben auf den Halligen vertraut machen. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die Halligkirche aus dem 17. Jahrhundert auf der Kirchwarft und der sogenannte Königspesel auf der Hanswarft. Letzterer ist klein aber fein. Die Friesenstube im 1776 erbauten Kapitänshaus von Tade Hans Bendix zeigt ein Stück friesische Wohnkultur und zeugt vom Wohlstand der Seefahrer-Ära. Sogar der dänische König Friedrich VI. soll hier eine Nacht geschlafen haben, nachdem er 1825 bei einer Besichtigungstour von einer Sturmflut überrascht wurde. Seitdem heißt die gute Stube Königspesel. Im Friesenpesel, nahe der Anlegestelle der Fähre, kann man übrigens gut essen.
Wie sind die Halligen eigentlich entstanden?
Die Halligen sind erdgeschichtlich junge Inseln, die durch Aufschlickung bzw. Aufschwemmung bei Überflutungen erst im vergangenen Jahrtausend auf altem, untergegangenem Marschland entstanden sind. Daher bestehen die meisten Halligen aus Marschboden, der oft nur eine dünne Schicht über älteren Mooren bildet, die im Schutz der Nehrungen, die die Senke zur Nordsee hin fast gänzlich abschloss, entstanden waren. Allerdings ist die Entstehungsgeschichte der einzelnen Inseln unterschiedlich: Denn einige wurden durch den Wechsel von Flut und Ebbe aufgeschwemmt, andere bestehen aus Resten des Festlandes oder von Inseln, die früheren Sturmfluten standgehalten haben. Vor allem zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert kam es häufig zu starken Sturmfluten. Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich ein mehr oder weniger geschlossenes und von Menschen kultiviertes Marschland im Gebiet der heutigen Halligen. Doch die Sturmfluten, besonders die „Grote Mandränke“ von 1362, trugen massenhaft Sedimente ab und zerrissen das Marschland.
Eine Landschaft in stetiger Veränderung
Als Geburtsstunde der Halligen gilt die „große Mandränke“, eine verheerende Sturmflut am 16. Januar 1362. Sie überspülte ein riesiges Landstück, die sogenannten Uthlande, und riss große Teile des Bodens mit sich fort. Übrig blieben die ersten Halligen. Wind, Wellen und der Mensch haben in den vergangenen Jahrhunderten diese Landschaft weiter verändert. Heute sind von den etwa 100 Halligen, die es im Mittelalter gegeben haben soll, nur noch zehn übrig. Die meisten Halligen sind im Laufe der Geschichte Opfer der Fluten geworden oder durch Eindeichung „landfest“ gemacht worden, so zum Beispiel der heutige Haupthafen in Dagebüll. Andere wuchsen zusammen, so etwa Nordmarsch, Butwehl und Langeneß – sie wurden 1802 zu der heute noch bestehenden Hallig Langeneß. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang es, die zehn verbliebenen Halligen zu sichern. Die gefährdeten Ufer werden inzwischen durch Steinkanten gegen Erosion geschützt.
Was passiert, wenn der Wasserspiegel steigt?
Die Überschwemmungen, bekannt als „Land Unter“, lagern seit Jahrhunderten Sedimente ab. Dank dieser Ablagerungen können die Halligen wachsen und mit dem natürlichen Schwanken des Meeresspiegels mithalten. Jedenfalls bisher. Und das ist nicht nur für das Leben auf den Halligen selbst wichtig, sondern auch für den Schutz der nordwestdeutschen Festlandküste. Die liegt größtenteils unter dem Meeresspiegel und ist extrem auf die hoch aufragenden, grünen Inseln im Meer angewiesen. Die Halligen funktionieren für das Festland wie ein Deich, sie schützen es vor Überflutungen. In Zeiten des Klimawandels könnte sich der Erhalt der Halligen allerdings als schwierig erweisen.
„An einem Ort mit der Angst zu leben, dass es den Ort bald nicht mehr gibt, das wäre ja emotionaler Selbstmord. Wenn wir immer darüber nachdenken würden, was beim nächsten Sturm mit Ausmaßen wie Christian oder Xaver passieren könnte, dann müssten wir wegziehen.“
Bürgermeisterin Katja Just Hallig Hooge
Hallig Hooge zum Beispiel will gerne länge trockene Füße haben. Daher gibt es auf Hooge ein Schleusentor, das die Hallig trocken halten soll. Außerdem wurde in den 1930er Jahren ein niedriger Deich gebaut, um die Zahl der Überflutungen in den Sommermonaten, wenn Kühe und Schafe auf dem salzigen Land grasen, zu reduzieren. Doch dadurch werden weniger Sedimente angespült. Und das bedeutet, dass die Hallig nicht mehr so wachsen kann wie früher. Weil die Meeresspiegel heute schneller steigen, ist das aber problematisch. Diverse Studien stellen außerdem fest, dass zumindest einige der zehn Halligen in den nächsten fünfzig bis einhundert Jahren in der Nordsee verschwinden. Die Menschen bleiben trotzdem auf Hooge aber sie bauen Schutzräume aus Beton – das beruhigt.