Die Sadhus
In Indien sagt man 30 Jahre ist die Zeit der Kindheit und Ausbildung, 30 Jahre soll der Mensch für die Gemeinschaft arbeiten, 30 Jahre bleiben ihm um sein spirituelles Erwachen zu bewerkstelligen. Die Zeit des Sadhu und des Yogi sind also die letzten 30 Lebensjahre eines Menschen, die Zeit in der er als Suchender durch die Welt wandert.
“Sadhu” ist im Hinduismus ein Oberbegriff für alle, die sich einem religiösen, teilweise streng asketischen Leben verschrieben haben, besonders bezeichnet es die Asketen der verschiedenen hinduistischen Sekten.
Die alten, ursprünglichen Yogaformen waren dem Schamanismus sehr nahe. Typisch für diesen Yoga waren ekstatische Praktiken, in diesen spielte Sexualität eine große Rolle, es gehörten jedoch auch Alkohol und diverse Halluzinogene zum rituellen Gebrauch. Unter Sadhus und im tibetischen Yoga ist vieles davon nach wie vor erhalten geblieben. Eine zentrale Bedeutung in diesen Kulten hatte Shiva. Er galt als Vorbild von Eremiten und Sadhus die zum Zeichen ihrer Einswerdung mit Shiva sich so wie dieser kleiden und schmücken, also mit Dreizack, Asche, Tigerfell, und langen Haaren. Es gibt den Mythos, dass vor siebentausend Jahren Shiva auf die Erde kam und in dieser Inkarnation den Yoga in vielen Aspekten prägte. Seitdem wird Shiva als Vater der Yogis gesehen. Was historisch belegte Funde in Zusammenhang mit Shiva anbelangt, so stammen die ersten Hinweise aus Mohenjo Daro und Harappa. Hier findet sich Shiva, oder seine Vorform, in Yogahaltung sitzend dargestellt.
Zum Ziel gelangen
Das Wort Sadhu leitet sich ab von einem Begriff aus dem Sanskrit, der “zum Ziel gelangen” bedeutet. Es steht für alle Tätigkeiten und Bemühungen, die der Gläubige auf sich nimmt, um dem Göttlichen näher zu kommen und schließlich die Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten zu erlangen. Der Weg besteht aus Selbstkasteiung und Yoga sowie ein Leben in Askese und Meditation.
Der Weg des Sadhu
Am Beginn ihres Weges schließen sich die Sadhus Gurus an und üben sich im Karma-Yoga. Zum Zeichen der lebenslangen Treue zum Guru werden die Haare abrasiert. Nach der Ausbildung ziehen sie herum – auf ewiger Pilgerfahrt durchwandern sie das Land. Man trifft sie an Stätten, an denen Shiva verehrt wird, beispielsweise Rishikesh, Gangotri oder Varanasi und Pushkar. Sadhus halten sich nie lange an einem Ort auf, da der Glaube besagt, dass ewige Bewegung Körper und Geist wach hält.
Einsiedler und Fotomotiv
Viele von ihnen leben als Einsiedler in Wäldern oder Höhlen und praktizieren Tantra indem sie Hunger, Kälte, Hitze, Durst und Regen über sich ergehen lassen. Andere leben in städtischen Außenbezirken, sie sitzen um Feuerstellen, unter der glühend heißen Sonne, liegen auf Unterlagen aus Dornen und Nägeln, hängen stundenlang mit dem Kopf nach unten von Bäumen oder begraben den Körper mehrere Stunden unter einer dicken Erdschicht. Normalerweise führen die Sadhus einen Essnapf zum Erbetteln der täglichen Nahrung und einen langen Stock mit sich. Viele Hindus sehen in ihnen Heilige und fühlen sich aus Religiosität verpflichtet, ihnen Nahrung und Almosen zu geben. Manche Sadhus bieten sich Touristen als Fotomodell an.
Ganja ist legal
Die Heiligen Männer gehören unterschiedlichen Glaubensströmungen des Hinduismus an. Je nach Sektenzugehörigkeit bemalen sich Sadhus mit verschiedenen Zeichen. Die meisten von ihnen sind Gefolgsleute Shivas. Sie imitieren das Leben des Gottes und teilweise auch sein mythologisches Aussehen. Durch drei Aschestreifen auf der Stirn wird das Auslöschen der drei Unreinheiten symbolisiert – Maya, Eigennutz und Selbstsucht. Viele Shiva- Anhänger tragen auch den Dreizack und die zweifellige Trommel. Sie beschmieren sich mit Asche und behängen sich mit Rudraksh Malas – das sind Ketten aus braunen, schrumpeligen Nüssen. Viele Sadhus rauchen im Chillum Ganja, Haschisch. Shiva soll Cannabis erschaffen haben und er rauchte diese Pflanze zum Zweck der Meditation. Obwohl die indische Gesetzgebung strenge Strafen auf Haschischbesitz kennt, wird der Konsum bei Sadhus wegen der “religiösen Notwendigkeit“ toleriert.
Gelb steht für die Erde und Safran ist heilig
Es gibt auch Gruppen von Sadhus, die völlig nackt leben. Sie tragen den Wind als Gürtel. Sadhu werden kann übrigens jeder Hindu, unabhängig von der Kaste. Die Sadhus gehören in Indien zum Alltag, und man begegnet ihnen überall, vor allem an heiligen Orten und bei großen religiösen Festen. Gekleidet sind sie meist in Safranfarben. Der Safran in Indien gilt als heilig, sein Gelb, Orange, Rot ist die Farbe der Sadhus. Gelb steht für die Erde, sie lehrt Demut und Orange ist die Hauptfarbe der Götter und somit die Farbe der Mönchskleider.
Große Haarknoten als Status
Die Haare der Sadhus sind oft in schlangenartigen Strähnen gedreht und zu einem Haarschopf gebunden. An der Länge der Haare, bzw. der Größe des Haarschopfes erkennt man wie lange der Sadhu seinen asketischen Weg schon beschreitet. Die Größe des Haarschopfes wird dadurch bei vielen zu einem Statussymbol. Nicht selten wird der Haarpracht durch Einflechten falscher Haare nachgeholfen.
Yogis und Swamis
Ein Yogi ist jemand, der Yoga praktiziert und auf diesem Gebiet fortgeschritten ist. Er muss keinem Orden angehören und ist auch nicht an Ehelosigkeit gebunden. Somit muss ein Yogi kein Sadhu sein. Andererseits sind viele Sadhus keine Yogis. Manche Sadhus gehen einen anderen Weg, sie versuchen ihre Erlösung über ein frommes Leben, Pilgerfahrten, Baden im Ganges und durch das Tragen von Malas aus Rudraksh-Samen, die wegen ihrer heiligenden und reinigenden Wirkung sehr beliebt sind, zu erreichen. Swamis wiederum sind Mönche eines Yoga-Ordens. Sie unterscheiden sich in Kleidung, Lebensweise und teilweise in ihrer Ideologie von den Sadhus. Swamis tragen orangefarbene Gewänder und haben sehr oft einen Sanskritnamen, der mit „ananda“ endet. Sie leben zölibatär und widmen sich der Lehrtätigkeit und karitativen Tätigkeiten.
Kumbh Mela
Alle zwölf Jahre versammeln sich die heiligen Männer des Hinduismus, die sogenannten Sadhus, im nordindischen Allahabad, um mit Millionen anderen Hindus das größte Fest der Menschheit zu feiern. Kumbh Mela – das Fest des Kruges – findet am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna statt und dient der rituellen Waschung.
Allerdings Allahabad ist nicht der einzige Ort an dem gefeiert wird, es ist nur der bekannteste. Die Kumbh Mela Pilgerfeste gehören zu den größten Ereignissen der Sadhus. Die Feste dauern ungefähr einen Monat. Sie finden abwechselnd in vier Städten jeweils in zwölf Jahreszyklen statt. Die Städte sind: Prayag (Allahabad) dort wo sich Ganga, Yamuna und die mstische Sarasvati treffen, Haridwar, die erste bedeutende Stadt, durch welche die Ganga, von den Bergen kommend, fließt, sowie Nashik und Ujjain, zwei weitere, weniger bekannte Städte.
Das Fest des Kruges
Der Name Kumbh Mela, “Fest des Kruges“, hat seinen Ursprung in der Legende vom “Quirlen des Milchozeans“, dieser wurde von Devas und Asuras am Anfang der Zeit mit Hilfe der Schlange Vasuki als Seil und dem Götterberg Meru gequirlt, um den Nektar der Unsterblichkeit zu gewinnen. Dieser wurde von Dhanvantari, dem Hausarzt der Götter, in einem runden Krug aufgefangen. Im Streit um Amrita, ausgebrochen zwischen Göttern und Dämonen, fielen vier Tropfen des Unsterblichkeitsnektars auf die Erde. An den vier Stellen sind heute die Festorte Allahabad, Haridwar, Ujjain und Nashik in denen die Kumbh Mela gefeiert wird. Immer wenn die Gestirne Jupiter, Sonne und Mond in bestimmten Aspekten präzise zueinander stehen, manifestiert sich im Glauben der Menschen Amrit in den Wassern des Ganges an den jeweiligen Stellen des Flusses und die Pilger nehmen dann ein Bad in der Unsterblichkeit.
Ehrengäste bei Kumbh Mela
Die Kumbh Mela ist das Fest der Heiligen Männer, manche Sadhus leben so zurückgezogen, dass man sie nur alle zwölf Jahre während der großen Kumbh Mela in Haridwar sieht. Der eigentliche Zweck der Mela liegt in der rituellen Waschung an einem besonders heiligen Ort zu einer besonders günstigen Zeit. Zu diesen Waschungen finden an den jeweiligen Hauptbadetagen die sogenannten „Königlichen Prozessionen” die “Shahi Snan” der Sadhus statt. Die Versammlung von Sadhus gilt neben den Waschungen als Hauptattraktion der Kumbh Mela. Für viele hinduistische Orden ist die Kumbha Mela auch der Ort für Einweihungen und Aufnahme von Schülern in ihre Gemeinschaft. Traditionell sind die ersten Waschungen den “Naga Babas”, den mit nichts als einem Lendenschurz und heiliger Asche bekleideten Sadhus vorbehalten. Sie waren traditionell ein Kriegerorden der in den Kämpfen gegen den Islam von Bedeutung war.
Die Aghori
Aghoris sind Sadhus, die mit Shiva-Bhairava als Vorbild eine Lebensweise führen wie sie für Brahmanenmörder als Strafe gilt. Sie leben 10 Jahre lang an Verbrennungsstätten mit keinem anderen Besitz als einer Schale aus der Schädelkalotte, dem Schädeldach eines Menschen. Die Kapala dient ihnen als Essschale und um die Asche anzurühren. Die Aghoris sind entweder nackt und am ganzen Körper mit Asche bestrichen oder sie sind in Schwarz gekleidet, womit sie sich von den anderen Sadhus wesentlich unterscheiden, die Safranfarben oder Weiß bevorzugen.
Die Entstehung von Bhairava
Es gibt verschiedene Überlieferungen der Legenden, die sich um die Entstehung von Bhairava ranken. Brahma forderte Vishnu auf, ihn anzubeten. Daraufhin wurde der ebenfalls anwesende Shiva, der auch den Anspruch erhob, der Höchste zu sein, so wütend, dass er die Gestalt Bhairavas annahm und Brahmas fünften Kopf abschlug. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, wurde ihm bewusst, welch schweres Vergehen er begangen hatte, nämlich einen Brahmanen-Mord. Als Buße trug er den abgeschlagenen Kopf Brahmas mit sich und wanderte ziellos umher, bis er endlich seine Schuld durch ein Bad im heiligen Fluss Ganga sühnen konnte.
In einer anderen Legende wird sich Brahma als Weltenschöpfer des Chaos bewusst und erschafft Saraswati, die Göttin der Schöpfung und der Weisheit. Diese wiederum ist gleichzusetzen mit Shatarupa, in die sich Brahma so sehr verliebte, dass er einen fünften Kopf emanierte, um sie allzeit beobachten zu können. Dem Inzest Brahmas mit seiner Tochter entsprangen Manu, der erste Mensch, aber auch die Tiere. Als Bestrafung für den Inzest schlug Bhairava/Shiva daraufhin mit seinem Schwert das fünfte Haupt Brahmas ab.
Rudraksha Ketten
Der botanische Name des Rudraksha-Baum ist Elaeocarpus ganitrus Roxb, er gehört zur Familie der Tiliaceae. Es ist ein großer immergrüner, breitblättriger Baum mit einer weiten Krone. Sein Lebensraum ist von 0 bis zu 2.000 Meter, er wächst in tropischen und subtropischen Gebieten. Die Bäume werden 15 bis 60 Meter hoch. Er wächst schnell und trägt Samen/Früchte innerhalb von sieben Jahren. Diese Bäume kommen vor allen in Nepal, an den Hängen des Himalaya auch in einigen Gebieten Indiens, Indonesiens und Malaysias vor. Ihr englischer Name ist Utrasum Bead Tree. In Indonesien wird der Rudrakshabaum Ganitri-Baum oder Jenitri-Baum genannt. Etwa 70% der Rudrakshabäume findet man in Indonesien, 25% in Nepal und 5% in Indien.
„Blueberry Bead“ als Medizin
Rudraksha-Perlen sind das Saatgut, gewonnen aus der Frucht des Rudrakshabaumes. Diese Samenkapseln werden von einer äußeren Hülle bedeckt, die bei voller Reife blau ist, deshalb nennt man sie auch “blueberry bead”. Das süße, durchaus essbare Fruchtfleisch kann auch für Behandlung von verschiedenen Krankheiten verwendet werden. Man legt die Frucht für ein paar Tage ins Wasser, dann wird die Rudraksha nach dem Abschälen des Fruchtfleisches herausgenommen und abgebürstet.
Jede Perle hat ein Gesicht
Die Samenkapsel hat eine raue Oberfläche, die von durchlaufenden Linien in Segmente geteilt wird. Diese formen die Gesichter (Mukhi) der Rudraksha. Die Anzahl der möglichen Gesichter geht von 1 bis 38. Die meisten der “Perlen” haben 5 oder 6 Gesichter, mehr “Gesichter” sind selten und daher sehr wertvoll.
Rudraksha – die Tränen Shivas
Für die Gebetsketten der Sadhus werden die hölzernen Samen des Rudrakshabaumes verwendet. Rudra ist einer der Namen Shivas. Das Wort Rudraksha hat seinen etymologischen Ursprung in den zwei Sanskrit Wörtern “Rudra” und “Aksha”, die Shiva und Tränen bedeuten. Laut der Shiva Purana versank Shiva einst in tiefe Meditation für das Wohlergehen aller Lebewesen. Als er erwachte, öffnete er seine Augen und Tränen fielen auf die Erde. Diese Tränen nahmen die Form von Samen an, die später zum Rudraksha Baum wurden. Rudraksha bedeutet “Shivas Träne”. Die trockenen Samenkapseln vom Rudraksha Baum formen die Rudraksha-”Perlen”, die als Rosenkranz verwendet und auch als Kette getragen werden.